Andri Jürgensen hat sich im Laufe seiner Anwaltstätigkeit darauf spezialisiert, Künstler:innen und Publizist:innen zu allen die Künstlersozialkasse betreffenden Themen zu beraten. Er selbst sagt, dass ihm keine weitere Anwaltskanzlei bekannt sei, die ausschließlich dieses Gebiet bearbeitet. Es gibt natürlich noch weitere Kanzleien, die sich mit diesen Themen auskennen und Mandanten dazu beraten; in dieser Exklusivität ist Andri Jürgensen aber hochspezialisiert und einzigartig. Daher haben wir ihn gebeten, uns einen Überblick zu einigen Themen die KSK betreffend zu geben. Ich selbst habe vor diesem Interview bereits einmal seine Beratung in Anspruch genommen, daher wusste ich von ihm und hatte ihn in guter Erinnerung. Es gibt darüber hinaus aber keine Berührungspunkte oder Kontakte zu ihm, und weder er noch ich selbst oder der PRO MUSIK Verband profitieren in irgendeiner Weise, die über das Interview und die darin enthaltenen Informationen hinausgeht, von diesem Beitrag.
PRO MUSIK MAGAZIN: Herr Jürgensen, schön, dass Sie sich bereit erklärt haben, unserem Verband mit Ihrem Fachwissen hier durch ein Interview zur Seite zu stehen! Ich würde gern direkt einsteigen und Sie bitten, unseren Lesern einen kurzen Überblick zu geben: Was ist die Künstlersozialkasse [im Folgenden: KSK], was macht sie so besonders, für wen ist sie gedacht?
RECHTSANWALT JÜRGENSEN: Ja, hallo, und danke für die Einladung! Also: Die KSK ist eine weltweit einzigartige Einrichtung, die freiberuflichen Künstlerinnen und Künstlern sowie Publizistinnen und Publizisten offensteht und für diese Berufsgruppen die Kranken- und Rentenversicherungspflicht abwickelt. Ganz wichtig für das Verständnis: Sie ist dabei selbst keine Krankenversicherung! Die KSK übernimmt aber 50 % der Beiträge für diese beiden wichtigen Versicherungen, ähnlich wie es sonst bei abhängig Beschäftigten ein Arbeitgeber tut. Die Beiträge, insbesondere für die Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung, sind für Angehörige anderer freier Berufe schnell absurd hoch und fast nicht zu stemmen. Auf diese Weise kommen Künstler und Publizisten also – auch wenn sie nicht viel verdienen – in den Genuss einer Absicherung für den Krankheitsfall und sorgen zumindest zum Teil für das Alter vor.
PRO MUSIK MAGAZIN: Ist die Krankenversicherung dabei irgendwelchen Einschränkungen unterworfen, gibt es da also eine Art ›Krankenversicherung light‹?
JÜRGENSEN: Nein, die Krankenversicherung beinhaltet ganz normal, wie bei allen anderen Versicherten, die kostenfreie Mitversicherung von Kindern, die sogenannte Familienversicherung, und hat auch darüber hinaus keinerlei Einschränkungen. Man wählt auch seinen Anbieter selber aus und ist genauso bei der deutschen Rentenversicherung versichert wie Arbeitnehmer.
PRO MUSIK MAGAZIN: OK, und was muss man nun tun, um über die KSK versichert zu werden? Es geistert – so ist meine Wahrnehmung – bei vielen noch immer die Idee herum, dass man dort ›aufgenommen‹ werden muss, dass die KSK dafür krass hohe Hürden setzt und viele Nachweise verlangt werden, es also schwierig ist, Teil dieses Systems zu werden. Ist das so richtig?
JÜRGENSEN: Nein, das ist eigentlich sogar ganz unkompliziert. Es gibt zwar eine Mindestverdienstgrenze von 3.900 Euro im Jahr, aber als Berufsanfänger ist diese für drei Jahre erstmal ausgesetzt. Man weist lediglich über einen Fragebogen nach, dass man in einem der relevanten Berufsfelder arbeitet. Die KSK prüft anhand dieses Fragebogens die Versicherungspflicht, das ist ihr gesetzlicher Auftrag, und übernimmt dann die Abwicklung.
PRO MUSIK MAGAZIN: Wie finanziert sich die KSK?
JÜRGENSEN: Die KSK finanziert sich über drei Säulen: Die erste Säule ist die KSK-Abgabe, die ein Veranstalter, eine Agentur oder ein Bandleader zu entrichten hat. Das heißt, wenn jemand zum Beispiel einen Musiker bucht, dann wird ein Beitrag in Höhe von 5 % der ausgemachten Gage fällig, die sogenannte KSK-Abgabe. Des Weiteren gibt es Zuschüsse des Bundes, also Steuermittel. Diese machen etwa 20 % des Gesamtfinanzierungsbedarfes aus. Und die Hälfte des Bedarfs kommt aus den Beiträgen der Mitglieder.
PRO MUSIK MAGAZIN: Lassen Sie uns kurz über die KSK und die Corona-Zeit sprechen. Der monatliche Beitrag der Versicherten wird ja anhand einer selbst anzugebenen Schätzung des zu erwartenden Jahreseinkommens festgelegt. Ich hörte nun aus meinem eigenen Netzwerk, dass es im Moment verstärkt Prüfungen seitens der KSK gibt, in denen abgefragt und kontrolliert wird, ob das angegebene zu erwartende Jahreseinkommen der Versicherten korrekt war. Können Sie dies aus Ihrer Praxis als Anwalt bestätigen?
JÜRGENSEN: Nein, wir erleben hier nicht mehr Anfragen zu dem Thema als in den Jahren vor Corona. Die KSK ist vom Gesetzgeber dazu verpflichtet, jährlich 5 % der Mitglieder zu überprüfen, stichprobenartig, und das tut sie für gewöhnlich ab Herbst eines jeden Jahres. Die Prüfungen laufen über das Einreichen von Einkommensteuerbescheiden ab. Sollte es eine zu große Diskrepanz zwischen der wirtschaftlichen Prognose und dem tatsächlichen Ergebnis geben, kann die KSK sogar – abhängig von der Höhe der Diskrepanz – Bußgelder von bis zu 5.000 Euro verhängen.
PRO MUSIK MAGAZIN: Viele freiberufliche Künstler:innen und Publizist:innen haben während der Corona-Pandemie keine oder stark eingeschränkte Verdienstmöglichkeiten gehabt und sich deshalb eine Nebenbeschäftigung gesucht. Was passiert nun mit den Versicherten, wenn sie mit dieser Beschäftigung mehr Geld verdient haben oder nach wie vor verdienen als mit ihrer künstlerischen oder publizistischen Tätigkeit?
JÜRGENSEN: Der Gesetzgeber hatte darauf bereits während der Pandemie reagiert und die Zuverdienstgrenze angehoben. Diese lag vorher bei lediglich 5.400 Euro pro Jahr und dann bis Ende 2022 bei 15.600 Euro. Ab 2023 gilt nun eine ganz neue Regelung: Die Höchstgrenzen sind komplett entfallen, es kommt jetzt nur noch darauf an, ob die selbstständige künstlerische Tätigkeit den beruflichen Schwerpunkt darstellt.
PRO MUSIK MAGAZIN: Toll, das sind ja wirklich gute Neuigkeiten für viele Künstler:innen und Publizist:innen! Wir haben als PRO MUSIK Verband auch schon direkt nach Bekanntwerden unsere Mitglieder darüber informiert, aber das kann man nicht oft genug erwähnen, weil es ja eine große Änderung der bisherigen Regelungen darstellt.
JÜRGENSEN: Ja, das sind gute Neuigkeiten. Und noch eine Änderung ist vielleicht wichtig: Die Mindestverdienstgrenze von 3.900 Euro pro Jahr als Kriterium für eine KSK-Mitgliedschaft darf man ohnehin innerhalb von 6 Jahren zweimal unterschreiten, ohne dass das Konsequenzen hätte. Die Pandemiejahre 2020, 2021 und 2022 werden nun aber von diesem Zeitraum ausgeklammert, eben gerade weil die Verdienstmöglichkeiten bei vielen Versicherten teils noch weit darunter gefallen sind. Das hilft vielen natürlich sehr.
PRO MUSIK MAGAZIN: Oh, das wird wohl tatsächlich einigen noch nicht klar sein, gut, dass Sie es erwähnen! Haben Sie zum Abschluss noch einen weiteren Tipp aus Ihrer Praxis? Was sind die größten Stolperfallen, mit welchen Schwierigkeiten landen Klient:innen bei Ihnen in der Anwaltspraxis?
JÜRGENSEN: Was immer wieder vorkommt, sind Probleme von Bandleadern, die für ihre Musiker die KSK-Abgabe nicht entrichten. Und die können dann plötzlich vor horrenden Nachforderungen stehen. Es hat sich vor einigen Jahren bei einem großen Prozess zu diesem Thema in Köln, den ich seinerzeit als Anwalt des Beklagten begleitet habe, gezeigt, dass die Praxis der KSK grundsätzlich rechtmäßig ist, die KSK-Abgabe sowohl auf der Seite der engagierenden Agentur oder des Veranstalters als auch – zusätzlich – auf der Seite des Bandleaders zu erheben. Tritt die Band dagegen etwa als GbR auf, liegt die Abgabe entweder bei der Agentur oder beim Veranstalter. Die Gewinnentnahmen aus der GbR sind aber abgabefrei. Also kann ich jedem nur dazu raten, das immer zu berücksichtigen.
PRO MUSIK MAGAZIN: Gibt es denn einen rechtssicheren Weg für einen Bandleader, diese Abgabe nicht auch noch entrichten zu müssen?
JÜRGENSEN: Nun ja – man könnte den Veranstalter bzw. die buchende Agentur bitten, Einzelrechnungen zu akzeptieren. Dann würden also zum Beispiel bei einer fünfköpfigen Besetzung von den fünf Musikern fünf einzelne Rechnungen an die Agentur gestellt. Damit wäre dann klar, dass nicht der Bandleader, sondern die Agentur die Musiker engagiert. Diese Praxis ist aber bei Veranstaltern und Bandleadern nicht sehr beliebt. Denn das setzt voraus, dass man seine Kontakte über das Bereitstellen der Rechnungsadressen preisgibt, und das möchte nicht jeder tun. Aber so lässt sich das Thema umgehen.
PRO MUSIK MAGAZIN: Herr Jürgensen, haben Sie vielen Dank für dieses sehr informative und aufschlussreiche Gespräch! Vielleicht dürfen wir Sie ja noch öfter beim PRO MUSIK Magazin begrüßen, wenn es wichtige KSK-Themen gibt, die unsere Miglieder betreffen.
JÜRGENSEN: Vielen Dank, und ja, sehr gern!
Links zum Interview:
- www.kunstrecht.de (Webseite von Rechtsanwalt Andri Jürgensen)
- www.kuenstlersozialkasse.de (Internetauftritt der Künstlersozialkasse)
Autor*in
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Marcus Möller studierte Jazz- und Popschlagzeug in Arnhem / NL bei Rene Creemers und Joop van Eerven. Er lebt als freischaffender Schlagzeuger mit seiner Frau, der Jazzsängerin Inga Lühning und zwei Kindern zwischen Köln und Düsseldorf. Momentan ist er der feste Drummer beim erfolgreichen Köln-Musical Himmel & Kölle und arbeitet projektbezogen im Studio und live in den unterschiedlichsten Besetzungen. 2019 erfand er das »Bummklack«, ein tragbares Mini-Schlagzeug, und vertreibt es seither über seinen Online-Shop. Beim PRO MUSIK Magazin ist er zuständig für die Interviews von Musiker:innen und engagiert sich in verschiedenen Arbeitsgruppen innerhalb des Verbands.