Aktualisiert: 6. Juli 2023
Teil 3: Verschiedene Studiengänge
Geht man in die Oper und sieht die Sänger*innen auf der Bühne oder die Musiker*innen im Orchestergraben, denkt man sich vielleicht: »Das möchte ich auch können!« (Oder das etwas weniger schmeichelhafte »Das kann doch nicht so schwer sein!«) Doch wie schwer ist es eigentlich, klassische Musiker*in zu werden? Dieser Frage möchten wir in diesen Beiträgen nachgehen. Im dritten Teil unserer Reihe geht es um die verschiedenen Studiengänge, die Musikhochschulen zu bieten haben.
Teil 1: Musikunterricht in der Kindheit
Teil 2: Bewerbung zum Studium
Teil 3: Verschiedene Studiengänge
Teil 4: Berufsalltag als Orchestermusiker*in
Teil 5: Berufsalltag als Opernsänger*in
Teil 6: Berufsalltag als Musikpädagog*in
Teil 7: Berufsalltag der freien Musiker*innen
Teil 8: Sichtbarkeit und öffentliche Wahrnehmung der klassischen Musik
Wer Musiklehrer*in an einer allgemeinbildenden Schule werden möchte, studiert Schulmusik. Das Schulmusikstudium vermittelt einen breiten Überblick über viele Aspekte der Musik. Der Fokus liegt nicht so sehr auf der künstlerischen Ausbildung, sondern auch auf Pädagogik, Musikwissenschaft und schulpraktischem Musizieren. Außerdem benötigt man ein Hauptinstrument und oft ein zweites (Schul-)Fach, welches nicht Musik ist. Während in der künstlerischen Ausbildung die Virtuosität auf einem einzigen Instrument angestrebt wird, sind Schulmusiker*innen breiter aufgestellt und beschäftigen sich gleichzeitig mit vielen Bereichen wie Chorleitung, Bandpraxis und Liedbegleitung. Das Schulmusikstudium wurde früher mit dem Staatsexamen abgeschlossen. Mittlerweile erfolgt der Abschluss fast überall mit dem Bachelor und dem Master. Im Studium erhält man wöchentlich Unterricht in den jeweiligen praktischen und theoretischen Fächern. Der Unterricht für Instrumente und Gesang erfolgt im Einzelunterricht, die anderen Fächer in Gruppen. Da sich der weitere Berufsweg (Referendariat, Anstellung, ggf. Verbeamtung) kaum von dem anderer Lehrer*innen unterscheidet, werden wir in den nächsten Beiträgen nicht weiter darauf eingehen.
Wer sich ganz auf ein Instrument konzentrieren will, kann dies in einem Studium mit künstlerischem oder pädagogischem Schwerpunkt tun. Das pädagogische Studium, oft auch als Instrumental- und Gesangspädagogik bezeichnet, ist dabei nicht mit der Schulmusik zu verwechseln, denn es berechtigt nicht zum Unterrichten an einer allgemeinbildenden Schule. Das ›klassische‹ Berufsziel des pädagogischen Studiums ist eine Lehrtätigkeit an einer Musikschule oder als Privatlehrer*in. Wer den künstlerischen Schwerpunkt setzt, will in der Regel ins Orchester (bzw. bei Sänger*innen auf die Bühne) oder als Solist*in bzw. Freiberufler*in arbeiten.
Beide Schwerpunkte sind im Studium selbst recht ähnlich. Das Hauptaugenmerk liegt ganz klar auf dem Hauptinstrument (je nach Hochschule bis zu 69 % der Credit Points; vgl. Esther Bishop: Künstlerische Musikstudiengänge. Zwischen Strukturwandel des klassischen Musikfelds und den Bologna-Reformen, Zeppelin Universität Friedrichshafen, S. 64ff.). Dieser Unterricht erfolgt im Einzelunterricht bei Professor*innen oder Lehrbeauftragten. Diese sind in der Regel Orchestermusiker*innen oder namhafte Solist*innen. Den Einfluss des Hauptfachunterrichts auf das Studium kann man gar nicht hoch genug einschätzen: Jede Studierende:r hat mindestens 90 Minuten Einzelunterricht pro Woche! Darüber hinaus braucht man ein Zweit-Instrument (meistens Klavier), belegt Ensemble- oder Orchesterspiel und besucht Kurse in Nebenfächern wie Musiktheorie, Gehörbildung, Musikgeschichte sowie musikwissenschaftliche Seminare. Beim pädagogischen Schwerpunkt kommt natürlich noch Musikpädagogik und Fachdidaktik dazu, dafür können die Ansprüche im Hauptinstrument – zumindest theoretisch – etwas niedriger sein.
Bei den letztgenannten Studiengängen sieht der Hochschulalltag ähnlich aus: Neben den oben beschriebenen Fächern nehmen die Studierenden an vielfältigen Projekten innerhalb der Hochschule teil. Dazu zählen Orchester- und Kammermusikkonzerte, Operninszenierungen und solistische Vorträge. Praktische Prüfungen werden meistens als Konzerte abgehalten, in denen neben einer Prüfungskommission auch Publikum anwesend ist. In den theoretischen Nebenfächern gibt es schriftliche oder mündliche Prüfungen. Den größten Teil des Studiums macht allerdings das Üben des Hauptinstruments aus. Angaben zum exakten zeitlichen Umfang sind pauschal nicht zu machen, man kann aber davon ausgehen, dass man jeden Tag mehrere Stunden am Instrument verbringt. Die meisten pädagogischen und manchmal auch die künstlerischen Musikstudiengänge werden außerdem mit einer schriftlichen Bachelor- oder Masterarbeit abgeschlossen.
Der Bereich Elementare Musikpädagogik (EMP) gewinnt immer mehr an Bedeutung, dementsprechend kann man sich auch an Musikhochschulen in diesem Bereich ausbilden lassen. Früher war das als Zusatzqualifikation üblich, oder auch als Master im Anschluss an einen anderen musikbezogenen Studiengang. An vielen Hochschulen kann man inzwischen Elementare Musikpädagogik als eigenständigen Studiengang belegen. Dieser Bereich wird zunehmend populär, auch wenn viele Studierende die Möglichkeit, in diese Richtung zu gehen, erst im Studium kennenlernen.
Auch das Studium im Hauptfach Musiktheorie ist künstlerisch-pädagogisch ausgerichtet, mit zusätzlichen wissenschaftlichen Inhalten. Außerdem gibt es noch viele weitere Musikstudiengänge und Hauptfächer wie Komposition, Dirigieren, Tonmeister oder Musiktherapie, um nur einige zu nennen. Alle weisen ihre eigenen Besonderheiten und Voraussetzungen auf, die aufzuzählen den Rahmen dieses Beitrags sprengen würde. Gemeinsam ist den meisten von ihnen jedoch, dass das Klavierspiel stark im Vordergrund steht. Etwas anders sieht es bei einem Studium mit theoretischem Schwerpunkt wie Musikwissenschaft aus. Dort gibt es meistens keinen oder nur optionalen Instrumentalunterricht. Im Fach Musikwissenschaft, aber auch in Musikpädagogik, ist es im Gegensatz zu den rein künstlerischen Studiengängen möglich, zu promovieren.
Mit dem Bachelor- oder Masterabschluss wird das Musikstudium abgeschlossen. Manche Aufbaustudiengänge werden auch mit dem sogenannten Konzertexamen abgeschlossen. Dieser Abschluss stammt noch aus der Zeit, als das Musikstudium mit dem Diplom endete und es keinen Master als Aufbaustudium gab. Mit dem Konzertexamen soll noch einmal die besondere Befähigung als Solist*in oder Kammermusiker*in betont werden. Doch nur weil man ein Musikstudium abgeschlossen hat, bedeutet das nicht, dass man nun nie mehr üben müsste. Im Gegenteil: Viele Musiker*innen üben ihr Leben lang täglich, besuchen Kurse bei anderen Musiker*innen oder nehmen sogar noch weiter regelmäßigen Unterricht. Auch die Annahme, dass man sich nun einfach mit seinem Abschlusszeugnis auf Stellen bewerben könnte, ist nicht für alle Berufe zutreffend. Auch wenn das Musikstudium prinzipiell eine umfassende Repertoirekenntnis und Auftrittserfahrung garantiert, muss man sich im Berufsleben potenziellen Arbeitgeber*innen oder Auftraggeber*innen permanent neu präsentieren und beweisen. Eine unverzichtbare Bedingung ist das abgeschlossene Musikstudium und das damit verbundene Abschlusszeugnis nämlich für die wenigsten Berufe.
In den nächsten Beiträgen möchten wir einige Berufe exemplarisch vorstellen, die man als klassische Musiker*in ergreifen kann. Diese Auswahl ist jedoch nicht als Entweder-Oder zu verstehen; aufgrund der schwierigen Arbeitsmarktsituation ist bei vielen Berufsmusiker*innen ein Mix aus mehreren Berufen notwendig.
Autor*in
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Daniel Mattelé studierte Musik mit Hauptfach Harfe an den Musikhochschulen in Weimar, Detmold und München, wo er ein künstlerisches Diplom erwarb. Bis vor der COVID-19-Pandemie war er als freier Orchestermusiker tätig. Zusammen mit seiner Partnerin Laura Oetzel gibt er regelmäßig Kammermusikkonzerte als Harfenduo und betreibt den Blog dasharfenduo.de, auf dem über Themen aus der klassischen Musikszene berichtet wird. Schwerpunkte dieser Berichterstattung sind Beiträge über die #metoo-Bewegung sowie über Arbeitsbedingungen für Musiker:innen. Bei PRO MUSIK baut Daniel als Mitglied der Redaktionsleitung das PRO MUSIK Magazin auf. Er ist Mitglied bei der Deutschen Orchestervereinigung (DOV) sowie im Verband der Harfenisten in Deutschland e. V.