Aktualisiert: 6. Juli 2023
Teil 1: Musikunterricht in der Kindheit
Geht man in die Oper und sieht die Sänger*innen auf der Bühne oder die Musiker*innen im Orchestergraben, denkt man sich vielleicht: »Das möchte ich auch können!« (Oder das etwas weniger schmeichelhafte »Das kann doch nicht so schwer sein!«) Doch wie schwer ist es eigentlich, klassische Musiker*in zu werden? Muss man dafür wirklich jahrelang üben? Die kurze Antwort ist: Ja! Von der musikalischen Elementarerziehung über den Instrumental- oder Gesangsunterricht bis hin zum Musikstudium dauert es lange, und man braucht viel Geduld, Fleiß und gute Nerven. Diese Stationen des Werdegangs und die verschiedenen Berufsmöglichkeiten möchten wir in einer Reihe von Beiträgen näher beleuchten und dabei hoffentlich auch mit dem einen oder anderen Vorurteil aufräumen! Den Anfang machen wir mit einer Beschreibung des Musikunterrichts in der Kindheit.
Teil 1: Musikunterricht in der Kindheit
Teil 2: Bewerbung zum Studium
Teil 3: Verschiedene Studiengänge
Teil 4: Berufsalltag als Orchestermusiker*in
Teil 5: Berufsalltag als Opernsänger*in
Teil 6: Berufsalltag als Musikpädagog*in
Teil 7: Berufsalltag der freien Musiker*innen
Teil 8: Sichtbarkeit und öffentliche Wahrnehmung der klassischen Musik
Bevor wir loslegen, ein paar kurze Anmerkungen. Erstens: Natürlich kann man vieles von dem, was hier beschrieben wird, im Einzelfall auch ganz anders sehen oder machen. Wir haben uns bemüht, Aussagen zu treffen, die für einen Großteil der klassischen Musiker*innen zutreffen. Wenn wir auf jede Alternative und jeden Sonderfall eingehen würden, wären diese Beiträge noch umfangreicher, als sie sowieso schon sind. Zweitens: Der Begriff »klassische Musik« ist problematisch und nicht immer eindeutig. In diesem Artikel verwenden wir ihn in Abgrenzung zur Popmusik, der Volksmusik und dem Jazz. Synonym spricht man manchmal auch von »Kunstmusik«. Die GEMA verwendet die Begriffe U(nterhaltungs)-Musik und E(rnste) Musik; das ist allerdings sehr umstritten. Nicht zu verwechseln ist der Begriff der klassischen Musik mit der musikhistorischen Epoche der Klassik bzw. Wiener Klassik, die ungefähr von 1730 bis 1830 anzusiedeln ist. Um diese Epoche geht es in diesem Artikel nicht. So viel dazu, jetzt geht es los mit dem eigentlichen Beitrag!
Die Ausbildung als klassische Musiker*in in Deutschland beginnt oft schon in früher Kindheit. An Musikschulen können Kinder Kurse in musikalischer Früherziehung belegen. Andere Bezeichnungen sind »musikalische Elementarerziehung« (dieser Begriff ist inklusiver, da er auch Erwachsene, Senior*innen oder Menschen mit Behinderung einbezieht) oder »elementare Musikpädagogik« (EMP). Diese Kurse bereiten die Kinder auf den Instrumental- oder Gesangsunterricht vor. Dieser beginnt je nach Instrument in der Regel im Alter von vier bis acht Jahren. Bei manchen Instrumenten ist es üblich, dass Kinder erst ein anderes Instrument wie Klavier oder Blockflöte (beispielsweise statt Oboe) lernen. So werden den Kindern die Grundbegriffe des Musizierens vermittelt, ohne dass sie von komplexen Spieltechniken überfordert wären. Bei manchen Instrumenten sind auch gewisse körperliche Voraussetzungen nötig, die in der frühen Kindheit noch nicht gegeben sind.
Der Instrumental- oder Gesangsunterricht wird als Einzel- oder (Klein-)Gruppenunterricht wahrgenommen. An allgemeinbildenden Schulen ist auch der Unterricht in sogenannten Streicher- oder Bläserklassen beliebt. Der Instrumental- oder Gesangsunterricht wird meist bis zum Schulabschluss beibehalten. Anders als in anderen Ländern kann man allerdings in Deutschland an einer Musikschule in der Regel keine Abschlüsse machen oder Diplome erwerben. Auch Leistungsnoten sind unüblich. Der Vergleich mit anderen Nachwuchsmusiker*innen findet dann eher in Form von Wettbewerben wie zum Beispiel Jugend musiziert statt.
Natürlich ist Musikunterricht im Kindes- und Jugendalter keine zwingende Voraussetzung dafür, klassische Musiker*in zu werden. In den Biografien der Berufsmusiker*innen dieser Sparte wird man allerdings selten einen anderen Werdegang finden: Autodidaktische Musiker*innen sind im Klassik-Bereich die Ausnahme. Beim »Einstiegsalter« gibt es gelegentliche Ausnahmen, die die Regel bestätigen: Es ist nicht gesagt, dass eine 14-jährige Klavieranfängerin nicht noch auf ein Profiniveau kommen kann, doch auch das ist eher selten. Eine Ausnahme bilden hier die Sänger*innen: Da sich die Stimme in der Pubertät verändert, beginnen viele Jugendliche erst danach mit einer professionellen Stimmausbildung. Daher liegen viele Altersgrenzen – etwa bei Bewerbungen oder Wettbewerben – im Bereich Gesang deutlich höher als im Instrumentalbereich. Häufig haben professionelle Sänger*innen auch zuerst einen anderen (musikalischen) Studiengang absolviert, da ihre Stimme noch nicht vollständig ausgereift war.
Wer am Ende der Schulzeit feststellt, dass er / sie das Hobby zum Beruf machen möchte, hat die Möglichkeit, Musik zu studieren. Was man dafür braucht und wie die Bewerbung abläuft, beschreiben wir im nächsten Beitrag!
Autor*in
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Daniel Mattelé studierte Musik mit Hauptfach Harfe an den Musikhochschulen in Weimar, Detmold und München, wo er ein künstlerisches Diplom erwarb. Bis vor der COVID-19-Pandemie war er als freier Orchestermusiker tätig. Zusammen mit seiner Partnerin Laura Oetzel gibt er regelmäßig Kammermusikkonzerte als Harfenduo und betreibt den Blog dasharfenduo.de, auf dem über Themen aus der klassischen Musikszene berichtet wird. Schwerpunkte dieser Berichterstattung sind Beiträge über die #metoo-Bewegung sowie über Arbeitsbedingungen für Musiker:innen. Bei PRO MUSIK baut Daniel als Mitglied der Redaktionsleitung das PRO MUSIK Magazin auf. Er ist Mitglied bei der Deutschen Orchestervereinigung (DOV) sowie im Verband der Harfenisten in Deutschland e. V.